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Vortrag für

Rückstuhl, Teppichunternehmen in Langenthal, Schweiz, 2008




Der Kreislauf des Teppichs


Entwicklung und Konsequenz

 

 

 

Guten Tag meine Damen und Herren. Herzlichen Dank für Ihre Einladung, zu Ihnen zu sprechen zu dürfen. Ich habe die Einladung mit großer Freude angenommen und habe mich sehr auf das Treffen mit Ihnen gefreut.

 

In den Räumen eines weltoffenen Unternehmens zu sprechen, das nicht einfach wirtschaftet, sondern das der Arbeit eine gesellschaftlich verantwortliche Dimension gibt und das so produziert, dass alle Materialien der Erzeugnisse und Nebenprodukte in einen Kreislauf zurückgebunden werden können, ist eine dankbare Aufgabe. Ruckstuhl macht Mut und gibt Motivation.

 

Als ich auf meinem Telefonanrufbeantworter das Wort Ruckstuhl hörte, war ich sicher, es handle sich um das Thema Stuhl. Das rührt daher, dass ich eher dafür bekannt bin, dass ich mich mit der Kulturgeschichte des Stuhls beschäftige. Auch mit dem Haus und mit Möbeln. Mein Thema ist die Wirkung von Objekten auf den Körper des Menschen sowie auf Geist, Gefühl und Verhalten. Ich habe darüber Bücher geschrieben, Texte verfasst und Vorträge gehalten. Dann die Überraschung: Ruckstuhl ist ein Teppichunternehmen. Glücklicherweise gehört auch der Teppich zu den Wirkobjekten, mit denen ich mich beschäftige.

 

Neben der Beschäftigung mit dem Sitzen mache ich Ausstellungen, arbeite an einer Kulturgeschichte des Fußes, an einer Geschichte des Tisches, unterrichte gelegentlich und bin Berater eines Unternehmensberaters.

 

Mit der Schweiz verbinden mich Freunde. Aber auch, dass ich unzählige Male in der Schweiz war, als ich mein Studium der Philosophie, Geschichte und Kunstgeschichte nicht weit von hier in Freiburg begann und mich zu den Bergen, Seen und Menschen der Schweiz hingezogen fühlte. Hinzu kommt eine Liebe zu Robert Walser. Seit 1995 verfasse ich gelegentlich Texte für die Kulturzeitschrift Du und habe damit begonnen, ein Buch über Kunst und Unternehmen zu schreiben, das 2009 im Schweizer Füssli Verlag erscheinen soll.

 

Da heute in vielerlei Hinsicht von Nachhaltigkeit und Qualität, von Ökonomie und Globalisierung gesprochen wird, möchte ich diese Begriffe hier mit Ihnen genauer betrachten und werde dabei über Mensch, Unternehmen, Produkt und Krisenerkenntnis sprechen. Aus dieser Betrachtung möchte ich dann geeignete Konsequenzen ableiten, die sich mit den Begriffen Nachhaltigkeit und Motivation fassen lassen.

 

In den Uppanischaden heißt es:

Die Luft webt das All,

der Atem den Menschen.

Ruckstuhl webt den Teppich.

Der letzte Satz ist von mir.

 

I. Entwicklung

 

1. Der Mensch

Der Mensch ist ein denkendes und ein sinnliches Wesen mit Bedürfnissen nach Wissen und sinnlicher Erfahrung, nach Kommunikation und Anerkennung. Er trägt in sich unterschiedliche Anlagen: Er ist Philosoph und Mönch, Spieler, Unternehmer und Künstler.

 

Was immer der Mensch tut – er ist und bleibt Mensch. Ob er Produzent oder Verbraucher ist, ob Lehrer oder Handwerker, Angestellter oder Unternehmer. Deshalb ist Ethik unteilbar. Denn er handelt als Mensch nicht ethisch gut, wenn er als Pro­du­zent unfair und egoistisch ist. Ebenso wenig, wenn er als Ver­brau­cher gleichgültig gegenüber seinem Ver­brauch ist und verschwenderisch mit Produkten umgeht.

 

Der Mensch ist ein Naturwesen. Inmitten einer naturhaften Umgebung ist er selbst Natur und ernährt sich von dem, was die Natur hervorbringt. Gegenstände gehören nicht zur Natur. Da die Natur dem Menschen keine Lebensweise vorgegeben hat, muss er anders als jedes Tier seinen Lebensweg selbst bestimmen. Er ist frei und muss sich für eine Lebensform entscheiden. Das macht ihn zu einem Kulturwesen. Deshalb sucht er nicht nur nach materiellen Lebensmitteln, sondern auch nach geistiger, emotionaler und ästhetischer Nahrung. Als Kulturwesen begreift er Zusammenhänge, ordnet sein Wissen und lernt, ist kreativ und erfinderisch: Der Mensch schafft Kultur.

 

Ein trauriges Kapitel der Geschichte und der Gegenwart ist zweifellos, dass der Mensch mit der Natur – mit Wasser und Luft, mit dem Erdboden, den Pflanzen und Tieren sowie mit sich selbst – schlecht umgeht. Doch für bemerkenswert halte ich, dass es Unternehmen wie Ruckstuhl gibt, die daraus Konsequenzen gezogen haben. Ruckstuhl ist eine Culture Company, die Ökonomie im Kontext gesellschaftlicher Verantwortung betreibt.

 

2. Unternehmen als Unternehmung


Das Gesamtunternehmen Mensch ist Kultur. Jäger- und Sammlerkulturen waren mobile, in das Naturganze eingebettete Unternehmungen. Ihre Aufgabe bestand im Beschaffen der Mittel zum Leben. Den Unternehmensstandort trugen sie in sich, ihre Körper waren Werkzeuge und ihr Zusammenwirken bei der Jagd war ihre Teamarbeit. Die Vertriebeswege waren kurz: von der Hand in den Mund. Leben und Lebensmittelbeschaffung waren untrennbar miteinander verwoben.

 

War archaischen Menschen die Natur ein Richtungsgeber für das Verhalten , orientiert sich der moderne Mensch an den scheinbar im Vordergrund stehenden Maßgaben von Wirtschaft, Kapital und Profit. Volkswirtschaftlich und welt­wirtschaftlich geht diese Rechnung nicht auf, sondern bildet eine der Ursachen für die gegenwärtigen Krisen, die enorm kostspielig sind. Allerdings tauchen sie in den privaten Unternehmensbilanzen nicht auf, und die Kosten, die sie verursachen, müssen von der Gemeinschaft getragen werden. Doch auch für einzelne Unternehmen stimmt die Rechung nur begrenzt. Wer in Zukunft nicht versteht, dass Wirtschaft als Ökonomie nicht mehr funktioniert, und der Verantwortung für die Gesellschaft nicht gerecht wird, kann sein Unternehmen nicht unbeschadet in die Zukunft führen. Das Ökonomische muss eingegliedert werden ins Haus aller Menschen und in das große Haus, den Kosmos. Die reine Nutzen-Gewinn-Rechnung der klassischen Ökonomie muss in eine neue Form überführt werden – ich verwende dafür den Begriff Oikologie –, in eine Bilanzierungsform, in der das Handeln der Menschen, die Verantwortung für die Gesellschaft und das Handhaben der Ressourcen in der Rechnung erscheinen.

 

3.1 Das Produkt

Wie kommen die Gegenstände in die Welt? Es ist der Mensch, der sie durch sein Kultur schaffendes Potenzial in die Natur bringt. Der Mensch kann – wie es noch heute viele Ureinwohner machen – sich für ein eng in die Natur eingebundenes Leben entscheiden, oder seine Kultur schaffende Seite betonen und Produkte und Werkzeuge erzeugen, die die Produktion immer weiter vorantreiben. Das ist der Weg, den moderne Gesellschaften gegangen sind.

 

Erzeugnisse von Menschenhand sind Produkte. Der Mensch mischt, formt und gestaltet den von Natur gegebenen Stoff in Produkte, indem er sie mit der Hand aus der Erde herausführt – das ist das Pro ducere.

 

In der Verfeinerung von Wissen, Methoden und Herstellungsverfahren hat er die Naturstoffe zu immer komplexeren Werkzeugen und vielfältigen Werkstoffen, zu Apparaturen und Maschinen bis hin zu Hightech-Produkten entwickelt. Da deshalb auch Gebrauchsgüter wie Computer, Mobiltelefone, Automobile oder Möbel aus wertvollem Naturstoff bestehen, sind auch sie der Sorge wert. Der Respekt vor ihnen kann nur in ihrer Qualität und im respektvollen Ge­brauch zum Ausdruck gebracht werden.

 

3.2 Das Produkt Teppich

Auch der Teppich ist natürlich ein Produkt und natürlich sollte er auf Stoffen der Natur basieren. Anthropologisch ist der Teppich ein Stück Erdboden. Angehoben. Kultiviert. Ein geistiges, weil erdachtes und von Menschenhand gefertigtes Produkt. Der Teppich ist die erste Abstraktion vom Naturgrund. Ursprünglich ist er ein geweihter Grund, den nur Könige und Priester nutzen durften.

 

Die Exzellenz des Menschen im Tierreich ist das aufrechte Stehen. Eine Haltung, in der er mit den Füßen die Erde berührt. Die Füße bilden den Grund des Menschen. Über die Fuß­sohle, das Gleichgewichtsorgan des Ohres und die Tiefensensibilität werden die Erfahrungen mit dem Erdboden in den Organismus eingearbeitet. Der Mensch lebt auf festem Grund. Auf ihm kann er stehen und hocken, lagern und liegen.

 

In Japan und China, in Afrika, im vorderen Orient und bei den Ureinwohnern aller Kontinente leben die Menschen noch bodennah und die Würde ihrer Haltung bezieht sich noch oft auf das Ruhen auf Matten und Teppichen, so wie Mao-Tse-Tung den Chinesen noch heute der Meister des Teppichs ist – nicht der erste Vorsitzende.

 

Da die Beschaffenheit des Untergrundes eine wichtige Rolle für die Physis des Menschen spielt, bilden Teppiche eine elementare Grundlage für das Wohlbefinden. Ein Teppich allein gestaltet einen Raum. Gibt ihm Kraft und Ausstrahlung, Ambiente und Atmosphäre. Nur Teppich und Raum. Nicht als Askese, sondern als Schaffung eines besonderen Ortes, an dem der Mensch innehält und zu einem Ritual angeregt wird. Ein Ort, der alle Sinne erfrischt und Kreativität freisetzt. Der Teppich ist ein geformtes, flaches Objekt, das uns verloren gegangene Rituale zurückgeben kann. Da die Büroarbeit heute zur eigentlichen gesellschaftlichen Tätigkeit geworden ist, müsste auch der Teppich aufgewertet werden, denn er kann dem Einzelnen zu einer Insel werden und einem Team eine Struktur gibt. Ein abgesteckter Bezirk der Ordnung, Aufrichtung und Motivation. Ebenso macht der gehaltvolle Teppich den Menschen aufmerksam darauf, wie er mit seinen Füßen umgeht, umhergeht.

 

4. Das Erkennen der Krise


Der Mensch weiß, dass er auf einer Kugel – dem Globus – lebt. Aber leider kann er nicht fühlen, dass die Kugel in ihrer Energie und Biomasse begrenzt ist. Unter dem Druck der Weltbevölkerung und ihren Ansprüchen erscheint sie sogar sehr klein. Da der Konsum unaufhörlich wächst, die Ressourcen der Erde jedoch nicht mitwachsen, sondern rasch aufgebraucht werden, sind Natur und Menschheit gefährdet.

 

Da der Mensch die globalen Gefahren nicht unmittelbar erleben und fühlen kann, kann er die Gefahr auch die Bedrohung nicht wirklich empfinden. Deshalb fährt er Jahrhunderte fort, Natur zu verbrauchen und zu zerstören. Erst wenn Verstand und Forschung über das Bewusstsein ein Gefühl für die Bedrohung stützen, beginnen Menschen, nach Handlungsalternativen zu suchen. In diesem Moment des Begreifens der Gefahr tauchen Fragen der Moral auf: Warum können wir nicht einfach wieder nach Maßgaben der Natur handeln? Solche Fragen jedoch fordern Entscheidungen: für Verantwortung und Priorität der Nachhaltigkeit vor der bloßen Wirtschaftskraft, die ihre Interessen gegen die Forderung nach Nachhaltigkeit vertreten. Da der Mensch erst allmählich ein Wissen und Bewusstsein für die Wirkungen seiner Eingriffe in die Natur entwickelt, entwickelt er mit dem Wissen um die knappen Ressourcen erst spät Alternativen zum Schutz der Natur. Er kann dann auch Liebe empfinden für die Erde, so wie es Astronauten beim Anblick dieser kleinen Kugel im Weltall sinnlich erfahren. Es liegt eine Entscheidung nahe, die Natur zu schonen und die Produkte nachhaltig herzustellen und zu nutzen. In dem Zusammenhang wird gefragt, welche Stoffe sind in einem Produkt verarbeitet? Welche Menge Natur muss für einen bestimmten Nutzen verbraucht, wie viel Energie für ihn aufgewendet werden? Wie viel Naturmasse wird bewegt? Wie lang ist die Lebensdauer eines Produkts und wie lässt es sich entsorgen? Vergegenwärtigen wir uns, dass zur Herstellung eines Fingerrings aus Gold soviel Naturmasse bewegt wird wie zur Produktion von zwei Automobilen. Solche Ökobilanzen helfen, der an ihre Grenze stoßende Umweltbelastung effizienter zu begegnen und aus dem Wissen die Verwendung geeigneter Materialien und nachhaltiger Verfahren abzuleiten.

 

Doch nicht nur die Natur ist bedroht, sondern ebenso der Mensch, der die Krise mit verursacht hat. Der Mensch ist in seiner geistigen und emotionalen Bestimmung spröde und hart geworden. Das zeigt sich in der Organisation der Arbeit ebenso wie in der Arbeit des Einzelnen. Ein Drittel aller Investitionen von Unternehmen geht verloren durch innere, personal bedingte Reibereien: Informationen werden zurückgehalten, verfälscht und missver­stan­den, Arbeitsprozesse werden nicht teamgerecht kommuniziert, mangelnde Transparenz der Unternehmensführung und von Abläufen, beständiger Arbeitsdruck und Hierarchiegefälle, die keine persönliche Weiterentwicklung fördern, machen unzufrieden und krank. So müssen auch für die ethischen Grundlagen des Miteinander Entscheidungen getroffen werden.

 

5. Wesen und Qualität


Die bisher erörterten Begriffe Mensch, Unternehmen, Produkt und Erkennen der Krise verbinde ich nun mit dem Begriff des Wesens, um Schlüsse aus der Krise für die Zukunft zu ziehen.

 

Das Wesen ist das Wesentliche einer Sache, ihr Kern. Aristoteles definiert das Wesen als ein Was, dem Lateinischen qualitas vergleichbar, weshalb Wesen und Qualität eins sind.

 

Das Wesen kann sich dem Menschen in einem Zustand erschließen, in dem er auf sich selbst zurückgeworfen wird. Etwa angesichts einer Erkrankung oder des Todes. Der österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard sagt, dass angesichts des Todes alles lä­cher­lich sei. In solchen außergewöhnlichen Situationen konzentriert sich der Mensch wie von selbst auf sein Wesen. Dazu wendet er sich von der äußeren, materielle Welt ab und bezieht sich auf sein Innen. Bemerkenswerterweise erfährt der Mensch im Zustand der Liebe dieselbe Reduktion. Die Liebenden sind sich selbst das Wesentliche und alles Materielle bleibt Nebensache. Das Wesen des Daseins erweist sich in beiden Extremfällen als Berührung, Intensität und Einsicht. Der Kranke ist der Einsichtige, sagt Novalis. Das gilt auch für Liebende.

 

II. Konsequenzen

 

6. Nachhaltigkeit – vom Schonen und Schönen


Archaischen Menschen – eng eingebunden in die Natur – gehörte das der Natur Entnommene nicht. Es gehörte den kosmischen Mächten. Das war der Grund, warum die von Menschenhand geschaffenen Gegenstände sorgsam behandelt wurden. Die Natur wurde geschont, was sich im schönen Produkt offenbarte, denn schonen und schönen bedeuten etymologisch dasselbe. Bereits hier gehörten Ethik und Ästhetik zusammen, denn die schöne (ästhetische) Form und die geschonte (moralische) Form waren Ausdruck der Achtung vor der Natur.

 

Antike Hochkulturen des Mittelmeeres wie Griechen und Römer haben vor dreitausend Jahren das Prinzip missachtet und ihre Wälder für den Bau von Kriegsschiffen gerodet, so dass der Humusboden für immer verloren ging. Eine Schicht, die sich in Jahrmillionen aufgebaut hat, zerstört in wenigen Jahrzehnten für ein paar Galeeren. Heute wissen wir mehr über die Zusammenhänge von Klima, Atmosphäre, Pflanzen und Kultur, doch wir verhalten uns nicht besser.

 

Die Produktion hat sich in wenigen Jahrtausenden zu einer Massenproduktion ausgeweitet und die Oberfläche der einst gegenstandslosen Erde mit einer Schicht hochkomplexer Produkte wie Städte, Aggregate und Maschinen, wie Verkehrswege und Fabriken, Automobile, Schiffe und Häuser überzogen. Durch Vielfalt, Masse und permanente Erneuerung hat der Mensch den Respekt vor den Produkten verloren und sie zu Wegwerfprodukten gemacht.

 

Was nun ist zu tun? Wie ist mit Natur und Mensch zu verfahren? Es gibt nur einen Weg: Die Erzeugung nachhaltiger Produkte. Der Mensch muss das, was in der Forstwirtschaft gilt, beherzigen: So viel anpflanzen, wie geschlagen wird. Das bedeutet zugleich, nur solche Stoffe zu verwenden, die renaturali­sierbar sind, damit die Kreisläufe der Natur bestehen bleiben. Nur so kann der Erdboden – die Biomasse – erhalten werden. Das ist das Gebot nachhaltiger Produktion, des Recycling, denn Kulturen sind nicht nur an ihren Produkten zu erkennen, sondern ebenso an ihren Müllhalden.

 

Der zweite Pfeiler der Nachhaltigkeit der Produktion gründet in der Reduktion des Energieverbrauchs. Das ist die Aufgabe der Qualität. Die Dinge müssen ihrem Wesen entsprechend produziert werden. Dazu gehört eine lange Lebensdauer. Das spart Energie und bindet die Besitzer emotional an das Objekt. Die Produkte müssen angemessen funktionieren, damit sie gerne benutzt werden. Sie müssen eine überzeugende Ästhetik haben, denn das Schöne schont nicht nur, sondern entfaltet auch die Sinne des Menschen und motiviert ihn, den Gegenstand lange Zeit besitzen zu wollen. Ohne den Moden hinterherzulaufen. Qualität schützt vor Ausbeutung von Energie und Ressourcen und stärkt den Menschen geistig und emotional.

 

Der Teppich ist ein archaisches Produkt. In der Einfachheit seiner Form und seiner Analogie mit dem Erdboden ist er ein Produkt des Edlen, Schönen und Naturhaften und ein Prototyp der Nachhaltigkeit.

 

7. Motivation – Bewegtheit, die von Innen kommt


Wie kann der Mensch nachhaltig mit sich selbst umgehen? Mit sich und mit Anderen? Moral kommt von außen an den Menschen heran. Als Forderung und Pflicht in der Form „Du sollst!“, „Du musst!“, „Du darfst nicht!“. Deshalb ist eine der wichtigen Aufgaben heute, eine Form der Moral zu erfinden, die von innen kommt – Das ist die Motivation.

 

Indem er Achtung vor der eigenen Kulturleistung hat. Achtung vor seiner enormen Erfindungsgabe – ob hoch technisierte Erzeugnisse oder von Hand hergestellten Produkte –, denn nur dann wird er schonend auch mit der Natur und mit Produkten umgehen können. Wir nähern uns dem Ende der Wegwerfgesellschaft und dem Ende der Oberflächlichkeit. Das neue Design ist dabei, umzudenken und diese Oberflächlichkeit abzuschaffen.

 

Design ist eine innere Haltung und ein kreatives Gestaltungsverfahren. Kommunikation, Information und Material werden neu organisiert in eine die gesellschaftliche Kreativität fördernde Ordnung. Wenn eine gute, weil angemessene und ästhetisch überzeugende Form gelingt, in der sowohl der Wert des Naturstoffes als auch die Qualität und der gesellschaftliche Nutzen spürbar sind, wird der Mensch für einen Moment vom Gefühl der Wahrhaftigkeit und des Wohlseins berührt. Es stellt sich eine Stimmung ein, als wäre alles mit der Welt, dem All, in Einklang gebracht. In dem Moment wird eine Form zum Träger einer elementaren und existen­tiellen Bedeutung.

 

Dieser Einklang durch die Qualität schafft Motivation – das sind Freude und Lust, Ansporn und Bewegtsein. Motivation ist eine erhöhte Lebensqualität, in der alle Sinne angesprochen sind. Aufgaben motivieren und setzen in Bewegung. Motivation leitet sich vom Lateinischen movere her und ist das der Bewegung Fähige. Aufgaben stärken den Lebenssinn und geben dem Menschen Würde. In der Motivation erhält das Leben eine Richtung – hin auf ein verantwortliches Handeln. Umgekehrt ist Verantwortung hoch motivierend.

 

8. Oikos und Globalität

Die Welt besteht aus einer Verschachtelung von Häusern. Haus, Familie, Unternehmen, Kommune, Nation, Kontinent, Erde, planetarischer Raum. Ökonomie bedeutet Haushalten innerhalb eines Hauses. Etwa einer Familie oder eines Unternehmens. Es ist das Dienstleisten oder das Produzieren und Vertreiben von Produkten. Unter der Prämisse, Gewinn zu machen. Werden mehrere Häuser zusammengefasst – etwa ein Unternehmen sowie eine Gemeinschaft und die regionale Natur –, wird von Ökologie gesprochen. Da alle Häuser Teil des großen Hauses sind und der Mensch sowohl im eigenen Haus als auch im Haus der Gemeinschaft, der Erde und des Universums wohnt, ist das Haushalten heute universell aufzufassen und nicht auf das reine Wirtschaften, die Ökonomie, zu beschränken. Dafür verwende ich den Begriff Oikologie, der umfassender ist und bedeutet, dass der Mensch in den unterschiedlichen Häusern bewusst leben und sich für alle Häuser verantwortlich fühlen sollte. Denn die Globalisierung stellt den Menschen vor neue Aufgaben. Am Anfang steht das Zusammenwirken der Kulturen. Das erfordert von Unternehmen, Politikern und vom Einzelnen Offenheit und globale Teamarbeit.

 

Unternehmen sind nicht selbstgenügsam, sondern fest verankert in der Gesellschaft. Ein Unternehmen mag die Funktion haben, den Unternehmer und seine Familie zu ernähren oder das Geld von Aktionären in Schwung zu bringen. Seine Produkte jedoch, seine Dienstleistungen und seine Unternehmenspolitik gestalten Gesellschaft – und dafür trägt jedes Unternehmen Verantwortung, die wiederum über die Produkt- und Marktorientierung hinausweist in die Zukunft.

 

Auch Unternehmen sind der nachhaltigen Sorge wert. Denn die Beschaffung der Mittel zum Leben ist grundsätzlich Teil des alltäglichen Daseins. Arbeit lässt sich nicht reduzieren auf bloße Pflichterfüllung, sondern ist als eine lebendige Tätigkeit zu begreifen und als verantwortliches Wirken in Unternehmen. Unternehmen sind grundsätzlich Einrichtungen der Teamarbeit. Teamarbeit ist das Zusammenwirken verschiedener und sich ergänzender Kompetenzen hin auf ein gemeinsames Ziel. Der Teamarbeiter muss in der Lage sein, mit anderen zusammenzuarbeiten. Er muss kompromissfähig sein und ertragen können, dass andere anders denken, fühlen und sich anders verhalten. Er muss am Wohlergehen und Erfolg des Teams, des Unternehmens und der Gesellschaft interessiert sein. Die funktionierende Teamarbeit schafft Synergien und ist Kommunikation, Anerkennung und Freude bei der Arbeit.

 

Hier zeigt sich, dass die Art der Produktion und der Umgang mit der Natur nicht mehr zu trennen sind vom Umgang der Menschen miteinander und mit fremden Kulturen, sondern alles bewegt sich aus demselben inneren Engagement, der Motivation heraus auf ein Ziel zu – die nachhaltige Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft aller Menschen. Mit dem Ziel wird jedes Handeln im Unternehmen zu einem Engagement für Gesellschaft und Natur.

 

Eine moderne Ethik wird eine globale Ethik, die Ethik für eine Weltgemeinschaft sein. Wenn man will, dass Regionales und Traditionelles dabei nicht verloren gehen, so ist diese Verantwortung gerade der kleinste gemeinsame Nenner, dass wir alle in dieser einen Welt leben. So ausdifferenziert und komplex unsere Welt auch ist. Mit der Besinnung auf den Oikos und auf unsere ursprüngliche Lebensmittelbeschaffung gewinnen wir Einsicht und Motivation, um die gemeinsame Welt zu gestalten. Die Ethik für eine Weltgemeinschaft folgt nicht dem Leitsatz „Du sollst!“, sondern der Devise „Wir wollen“, „Wir können“ und „Wir entscheiden uns“. Drei Maximen, die denen des weisen Chinesen Meng Tzu verwandt sind, der sagt: „Es ist möglich, als großer Mensch zu handeln“.

 

Mit diesem einfachen und optimistischen Satz ist mein Vortrag zu Ende. Ich hoffe, er wird ein Paradigma werden für unser aller berufliches und kulturelles, unser persönliches und gesellschaftliches Engagement.



© Hajo Eickhoff 2008





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