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Doris Paschiller und Hajo Eickhoff

aus: Adato Heft 2, Luxemburg 2007




Gemeinsamkeit, Ritual, Mobilität

Der Mensch als Mensch im Arbeitsraum



Raum und Mensch


Was immer der Mensch tut – er ist und bleibt Mensch. Ob er arbeitet oder spielt, träumt oder konsumiert, er ist nicht das Fragment seiner selbst. Wissensdurstig und neugierig ist er bedürftig nach Austausch mit anderen, nach Beschäftigung sowie nach Ruhe. Dass der Mensch einen grundlegenden Bezug zum Raum hat, ist ihm nur selten bewusst. Das Haus und seine Räume be­stimmen die Art und Weise, wie er sich fühlt und wie er mit anderen zusammen ist. Raum und Architektur sind die permanente Bühne, auf der er sich anderen gegenüber verhält, spricht und handelt.


Das Haus ist ein Ort der Geborgenheit und Sicherheit, das dem Menschen die Möglichkeit bietet, sich zu sammeln und eine Mitte zu finden. Ein Ort der Intimität. Aber auch ein Ort der Geselligkeit und Gemeinschaftlichkeit, da er ihn mit anderen teilt. So erweisen sich Haus und Raum als grundlegende, existentielle Orte des Menschen. Häuser sind Einrichtungen, die den Menschen positiv ansprechen und motivieren, und ihm geistige, seelische und physische Orientierung geben­­­­.



Raum und Arbeit


Häuser sind Orte der konzentrierten Begegnung. Damit aber moderne Arbeitsräume, die fremde Menschen zu unterschiedlichen Tätigkeiten zusammenführen, zu Orten der Begegnung werden – nicht zu Orten bloßer Ansammlung – müssen sie bewusst gestaltet und eingerichtet werden.


Wer Räume für andere gestaltet und einrichtet, muss die Bedürfnisse der Menschen kennen. Denn Räume geben dem Menschen dann Geborgenheit, Sicherheit und Stärke, wenn sie seinen Bedürfnissen angemessen eingerichtet sind. Das Kunststück besteht darin, die allgemeinen menschlichen Bedürfnisse mit den individuellen Gewohnheiten in einer Raumordnung zu vereinen.


Seit der Industrialisierung haben Räume auf Ästhetik, Rationalität und Effizienz der Arbeit Bezug genommen, aber man hat übersehen, dass erst der Respekt vor der Individualität des Einzelnen Motivation schafft und die Kreativität beflügelt. Es handelt sich hierbei um ein Element der Nachhaltigkeit, die sich nicht nur auf die Ressourcen der Erde beschränkt, sondern sich auch auf den Menschen und seine Besonderheiten bezieht. Deshalb müssen Unternehmen mit ihren Mitarbeitern und der Mensch mit sich gut umgehen.



Rückzug


Der Mensch braucht für eine kreative Atmosphäre auch die Möglichkeit, sich zurückzuziehen. Damit er zu sich selbst kommen und sich erfrischen und entspannen kann, denn die Arbeit setzt sich aus allgemeinen und individuellen Komponenten zusammen. Räume des Rückzugs sollen zur inneren Ruhe beitragen und von einer wohltuenden Atmosphäre geprägt sein.


Der abgesteckte Raum, der mit dem Haus in die Welt kommt, ist eine kulturelle Errungenschaft des Menschen, die das Zerstreute sammelt und damit den Menschen selber zur Sammlung und Konzentration bringt. Der Vorgang des sich Zurückziehens ist ein Vorgang der Sammlung und ein Bemühen um die Mitte, die sozusagen das Gefühl der Geborgenheit und Sicherheit und des Selbstwertes ausmacht. Das Gefühl der Mitte stärkt Motivation und Kreativität.


Der Mensch braucht geordnete, gut gestaltete und den Geist, Seele und Körper des Menschen anregende und zugleich ihn beruhigende Räume, in denen er ungestört tätig sein kann.



Gemeinsames Arbeiten


Auch der gemeinsame Raum muss eine gemeinsame Mitte ermöglichen. Während der Mensch bei der Arbeit rationalen Dingen nachgeht, beschäftigen ihn parallel zu Arbeitsabläufen persönliche Angelegenheiten. Diese sind aber kein lästiges Abschweifen, sondern gerade das, was der Arbeit die persönliche Färbung gibt. Eine Besonderheit und Individualität. Aber wer mit andren zusammenarbeitet, muss gut mit ihnen arbeiten können. Er muss teamfähig sein und kompromissfähig. Er muss wissen und ertragen können, dass andere anders denken, fühlen und sich verhalten, er muss auch am Erfolg des Teams interessiert sein und auch in der Gemeinschaft den Punkt der Mitte finden. Auf die Räume bezogen heißt das, dass die gemeinsame Arbeit einen gemeinsamen Lebensraum schafft, der größer ist, als die einzelnen Lebensräume und dass die individuellen Arbeitsplätze und Arbeitsräume sich zu einem neuen Raum zusammenfügen lassen müssen.



Rituale


Wenn Menschen bei der Arbeit und durch sie motiviert werden und ihre Kreativität entwickeln sollen, müssen Arbeitsräume den emotionalen, physischen und geistigen Bedürfnissen der Menschen entsprechen. Das ist bei der Planung und Einrichtung von Büroräumen zu beachten. Nur wer sich immer wieder einmal zurückzuziehen und erfrischen kann, wird zur Teamarbeit die nötige Konzentration und Gelassenheit mitbringen.


Persönliche ebenso wie teambezogene Rituale müssen in Unternehmen möglich sein. Etwa durch speziell dafür gestaltete Räume oder durch Räume, die für unterschiedliche Rituale variiert werden können.


Rituale und die ihnen zugeordneten Räume erleichtern es, Gemeinsamkeit herzustellen und zu erleben. In einem Kloster kann man das sehr gut beobachten. Das Einlassen aufeinander ist das Einlassen auf einen gemeinsamen Ort wie Speisesaal, Andachtsraum, den Raum für ein informelles Gespräch über Erlebnisse des Tages. Der gemeinsame Ort symbolisiert eine gemeinsame Geschichte und eine gemeinsame Intention. Rituelle Orte sind Orte der Verbundenheit und Verbindlichkeit. Kulturelle Räume gehen über das Funktionale weit hinaus. In ihnen kann jederzeit auch das Bedürfnis nach Spiritualität befriedigt werden.



Mobilität


Möbel und Menschen sind das Mobile des Hauses, das selbst ein Im-Mobile ist. Möbel und Personen sind nicht ständig in Bewegung, aber für beide hat Beweglichkeit Bedeutung. Möbel können starre als auch dynamischen Räume einrichten.


Möbel sind Gegenstände des Einstimmens: des Umstellens und Abstimmens auf konkrete und existenzielle Bedürfnisse. Möbel sind Stationen im Raum, die den Menschen zur Konzentration, zum Verweilen und zur Beruhigung einladen, erzeugen aber auch Wege von Station zu Station. Als Weg-Erzeuger sind Möbel Raum aufrichtende und Raum gestaltende Medien.


Jedes Möbel hat einen unmittelbaren Bezug zum Menschen. Es kann ihn im Büro festsetzen, ihn aber auch zu seiner naturgegebenen Bewegung anregen. Arbeitsräume sollten deshalb auch Geh- und Wandelräume sein, die die Möglichkeit bieten, Arbeitsplätze, Abteilungen und Bürokomplexe miteinander in einem Gehri­tual zu verbinden. Arbeitsplätze sollten keine statischen Sitz-Orte sein. Keine Arbeit lässt sich ohne Beteiligung des Körpers verrichten. Wird er nicht mit einbezogen in das Equipment von Büro, Atelier und handwerklichem Betrieb, erkrankt er und mit ihm Geist und Seele. Deshalb ist das Einrichten von Wohn- und Arbeitsräumen mit Möbeln nicht nur eine Frage von Ästhetik und Funktion, sondern ebenso eine Frage nach der Qualität einer modernen Arbeit, die sich wieder der unmittelbaren Bedürfnisse des Menschen erinnert. Das ist nicht allein das Bedürfnis nach körperlicher Bewegung, es ist damit auch ein Bedürfnis der Mobilität und Bewegtheit im Kosmos gemeint.



Erfolg braucht kulturelle Identität


Wer für Unternehmen Büro- und Arbeitswelten einrichtet sollte das im Bewusstsein sein tun, Teil einer gemeinsamen Welt zu sein, in der es notwendig ist, Verantwortung zu übernehmen und Sorge zu tragen für Mensch, Natur und Umwelt. Erst aus diesem Bewusstsein heraus entsteht die Qualität, die dem fremden Unternehmen eine angemessene Identität gibt. Es ist eine kulturelle und gesellschaftliche Identität, die wirtschaftlichen Erfolg überschreitet hin zu kulturellem und gesellschaftlichem Erfolg. Die Qualitätszeichen bedeuten Nachhaltigkeit, Moral und Schönheit. Hajo Eickhoff/ Doris Paschiller



Einrichten


Möbel richten den Menschen ein: in seine persönliche Welt und ins All, in seine Gemeinschaft und in die Künstlichkeit. Sie stützen Psyche, Physis und Denken und erzeugen in der künstlichen Welt geordnete Räume und im Innern des Menschen Distanz und Abstraktion.


Wer Arbeitsräume gestaltet und einrichtet, muss die Bedürfnisse der Menschen kennen. Nur dann geben Räume Geborgenheit und Stärke und fördern Motivation. Die Aufgabe besteht darin, individuelle Gewohnheiten und Vorlie­ben mit den allgemeinen menschlichen Bedürfnissen in einer Raumordnung zu vereinen. Hajo Eickhoff/ Doris Paschiller



Möbel


Möbel sind Gestelle. Vom Erdboden angehobene waagerechte Ebenen. Vier Möbel sind es, die der Mensch erfand: Stuhl und Schrank, Bett und Tisch. Die Waagerechte trägt entweder den Menschen (Stuhl und Bett) oder Gegenstände (Tisch und Schrank). Das Wesen eines Möbels liegt in dem Prinzip, den heiligen Erdboden anzuheben und eine neue geweihte Ebene zu schaffen.

  Möbel gab es nicht immer, denn einst war der Erdboden alleiniger Lebensgrund. Ihre kultivierende Kraft liegt in der beruhigenden Wirkung auf die Sinnesorgane. Sie verändern Sinnesaktivitäten, Verhaltensweisen, Körperhaltungen und Denkweisen. Hajo Eickhoff



Teamarbeit


Teamarbeit ist das Zusammenwirken verschiedener, sich ergänzender Kompetenzen hin auf ein gemeinsames Ziel. Funktionierende Teamarbeit schafft Synergien und in ihr kommt die Würde des Menschen zum Ausdruck. Patienten zum Beispiel bevorzugen solche Arztpraxen und Kliniken, in denen die Mitglieder des Praxisteams gut miteinander auskommen und Harmonie, Respekt und Gemeinschaftlichkeit ausstrahlen. Ein solches Team schafft Vertrauen. Doris Paschiller



Arbeitszwischenräume


Zur Arbeit gehören Zeiten und Räume des Rückzugs und des ungezwungenen Austauschs mit anderen. Der Spannung im Arbeitsprozess müssen Zeiten der Entspannung folgen, in denen die Kreativität gehalten wird. Arbeitszwischenräume sind nicht nur Zeiten zwischen den Arbeitsvorgängen, sondern auch Räume mit einer geeigneten Atmosphäre, in der der Mensch sich regenerieren und sich erfrischen kann. Räume informeller Begegnungen, in denen sich jenseits des zielgerichteten Arbeitens – spielerisch und ohne Absicht – das Innovative ereignet.

  Arbeitszwischenräume bilden, wie einst Küche und Herd, den kommunikativen Mittelpunkt des Hauses und verbinden Leib und Seele. Hier sollte der Geist der Mitte walten. Hajo Eickhoff/ Doris Paschiller



Qualität


Alles, was in der Welt ist, hat ein Wesen. Dieses Wesentliche sind Eigenart, Beschaffenheit und Wert. Das Wesen ist das Was einer Sache – ihr Quale oder ihre Qualität. Die Natur hat von sich aus Wert und Kostbarkeit und bildet das Maß für gute Qualität. An ihrer Kostbarkeit muss das von Menschen Geschaffene orientiert werden. Gute Qualität sollte deshalb für jeden eine Verpflichtung sein, denn sie wirkt über die Sinnesorgane fördernd auf die Entwicklung und das Wohlbefinden und stärkt den Lebenssinn – das Prinzip, das den Menschen Motivation gibt. Eine gute Form, eine praktikable und überraschende Funktion und ein gediegenes Material sprechen den Menschen an, indem sie die Aufnahmefähigkeit der Sinne steigern und ihre Vielfalt bewahren und den Menschen befähigen, Nuancen und Schattierungen wahrzunehmen. Diese Qualität macht den Menschen leicht: Sie erhebt ihn und fördert seine schöpferische Kraft. Hajo Eickhoff



Tisch und Stuhl


Der Arbeitstisch ist Anregung und Anregung mündet in Motivation. Der Tisch ist das unbeschriebene Blatt und ein Garten der Gedanken, eine Aufschich­tung von Imaginationen. Der Tisch trägt die Zeichen glücklicher Kreativität.

  Der Tisch ist ein moderner Acker. Ein Ort der Ordnung, der sich in der Gegenwart mit dem Stuhl verbindet. Tisch und Stuhl bilden die Basis moderner Arbeitsplätze. Die geistigen Kräfte, die der Sitzende auf dem Stuhl erwirbt, kann er am Tisch direkt zur Wirkung bringen. Das Sitzen am Tisch ist eine gewaltige Produktivkraft, die Europa seinen geistigen und materiellen Reichtum gebracht und es auf eine hohe Kulturstufe emporgehoben hat. Ein Ort hoher Wichtigkeit für den Gewinn an Motivation. Jeder der einen solchen Ort kennt und beständig an ihn zurückkehrt, weiß, dass es die vom Tisch gehaltene imaginäre Welt ist, die ihn innerlich erfasst und motiviert. Hajo Eickhoff/ Doris Paschiller



Wohlbefinden


Der Raum des Wohlbefindens bezieht sich auf die Wohnung des Menschen, den Ort der Geborgenheit. Hier wiegt er sich in Sicherheit, findet Schutz und Frieden und kann sich zurückziehen.

  Der Raum des Wohlbefindens bei der Arbeit ist ein Raum der Anregung, in dem der Mensch motiviert wird und kreativ sein kann. Das Atelier etwa bezeichnet den Arbeitsraum eines kreativen Menschen. Aus dieser Kreativität speist sich das Wohlbefinden, verbunden mit dem Selbstbild sowie der Identifizierung mit der Arbeit und dem Unternehmen.

  Wohlbefinden unter Menschen wächst aus der Kommunikation und der Gegenwärtigkeit aller Sinne. Räumlich betrachtet entsteht dieses Wohlbefinden aus der Wahrung des Personal Space und den Möglichkeiten, sich zurückzuziehen an einen Ort der eigenen Mitte, um sich konzentrieren oder sich auf die erneute kommunikative Begegnung vorbereiten zu können.

  Wohlbefinden ist an das Berührtsein des menschlichen Körpers (Physis), das Gefühl durch den stimmigen Raum (Psyche) und die stimmige Kommunikation als Balance zwischen Begegnung und Rückzug (Sozialität) gebunden. Doris Paschiller



Design als Entwurf


Design ist eine innere Haltung und ein kreatives Gestaltungsverfahren, in dem sich ein Gestalter entwirft. Ein Prozess der Formung ähnlich dem der Kunst. Kommunikation, Information, Material werden neu organisiert in einer die gesellschaftliche Kreativität fördernde bewegliche Ordnung. Wenn eine gute, weil angemessene und ästhetisch überzeugende Form gelingt, in der sowohl der Wert des Naturstoffes als auch die Qualität und der gesellschaftliche Nutzen spürbar sind, wird der Mensch für einen Moment vom Gefühl der Wahrhaftigkeit und des Wohlseins berührt. Es stellt sich eine Stimmung ein, als wäre alles mit der Welt, dem All, in Einklang gebracht. In dem Moment wird eine Form zum Träger einer elementaren und existentiellen Bedeutung. Hajo Eickhoff



Wirtschaftlichkeit


Wirtschaften wird oft einseitig als Profit und Gewinnanhebung angesehen. Volks- und mehr noch weltwirtschaftlich geht diese Rechnung nicht auf, sondern bildet eine der Ursachen für die Krisen der gegenwärtigen Welt. Die Krisen sind enorm kostspielig, tauchen allerdings in den privaten Unternehmensbilanzen nicht auf, und die Kosten, die sie verursachen müssen, so weit es möglich ist, von der Gemeinschaft getragen werden. Auch für einzelne Unternehmen stimmt die Rechung nur für begrenzte Zeit. Wer in Zukunft nicht versteht, dass Wirtschaft als Ökonomie nicht mehr funktioniert, und wer seiner Verantwortung nicht gerecht wird, kann das Untenehmen nicht in die Zukunft führen. Das Ökonomische muss eingegliedert werden ins Haus aller Menschen und in das große Haus, den Kosmos und das einseitige Haushalten, die reine Nutzen-Gewinn-Rechnung, muss in die Oikologie überführt werden, in eine Bilanzierungsform, in der die Behandlung der Menschen, die Verantwortung für die Gesellschaft und das Handhaben der Ressourcen in der Rechnung erscheinen. Hajo Eickhoff



Identität


Was Unternehmen sein möchten – was sie produzieren, wie sie Dienst leisten, wie sie auftreten und wie verbindlich sie sein möchten gegenüber Mensch und der Gesellschaft –, ist bestimmt durch ihre innere Haltung und Einstellung, die sie im Außen sichtbar zu machen versuchen. Diese Einheit von Innen und Außen ist die Identität des Unternehmens. Ein Unternehmen ist daher auch immer ein Identitäts-Angebot. Hajo Eickhoff



Medialität


Unternehmen müssen am gesellschaftlichen Diskurs teilnehmen. Dazu gehören moderne Formen von Meetings aller Art sowie von Workshops und Konferenzen, die durch ein modernes Equipment der Kommunikation unterstützt werden müssen. Medien verbinden uns miteinander und uns mit dem gegenwärtigen Tag und vermitteln so die Aktualität unserer Tätigkeit. Unser aktuelles Gefühl mit allen Sinnen und Linien online in der Welt zu sein, gibt Gewissheit, an einer bedeutenden Sache der Kultur teilzuhaben. Doris Paschiller



© Hajo Eickhoff/ Doris Paschiller 2007





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